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Info und Notizen zum Bürgergeld

Erbrecht und Bürgergeld

§§ 11a Abs. 1 Nr. 7, 9 I, 12 II, 11, 11a, 11b SGB II, §§ 6 I Nr. 1, 6 I Nr. 3 Bürgergeld-VO

Zum 1.7.2023 wird die Behandlung des Erbrechts für Bürgergeldbezieher geändert. Die Rechtsprobleme und deren mögliche Lösung sollen im Folgenden untersucht werden.

Die Änderung besteht in der Einfügung des § 11a I Nr. 7 SGB II. Dort heißt es:

„(1) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind … 7. Erbschaften“

1.
Um zu verstehen, was damit gemeint ist muss man sich klar machen, welche finanziellen Positionen sich auf den Anspruch auf Bürgergeld auswirken. In § 9 I SGB II heißt es hierzu :

„(1) Hilfebeedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.“

Uns interessiert also die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen sowie der Anrechnung dieser Positionen. Einkommen und seine Anrechnung ist in den §§ 11, 11a und 11b SGB II geregelt. Vermögen ist in § 12 SGB II geregelt. Wenn man sich nun diese Vorschriften anschaut, so stellt man fest, dass es weder für Einkommen noch für das Vermögen eine Definition gibt. Durch die Rechtsprechung des BSG wurde geklärt, dass Vermögen alles ist, was dem Leistungsberechtigten bereits bei der ersten Antragstellung gehört. Einkommen ist das, was während des Leistungsbezugs hinzukommt. Dies ist nur eine grobe Darstellung, denn nach § 11 I SGB II sind nur Einnahmen in Geld Einkommen, nicht aber Einnahmen in Geldeswert (wieder mit Ausnahmen). Auf was es hier ankommt ist die Unterscheidung ob die Einnahme im Leistungsbezug zufließt. Dann ist es grundsätzlich Einkommen.

Das ändert nun § 11a I Nr. 7 SGB II zum 01.07.2023. Warum ist dies wichtig? Wären Erbschaften, wie bisher Einkommen i.S.d. § SGB II, so würden sie auf den Hilfebedarf angerechnet werden. § 11 II SGB II bestimmt ab 01.07.2023:

„Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen…“

Von der Erbschaft würde lediglich die Versicherungspauschale nach § 6 I Nr. 1 Bürgergeld-VO und die Kfz-Haftpflicht nach § 6 I Nr. 3 Bürgergeld-VO abgezogen werden.

Beispiel 1:
Erbtante E verstirbt am 01.07.2023. Das Guthaben i.H.v. 5.000 EUR auf dem Konto der E wird noch am 15.07.2023 an den Bürgergeldempfänger B ausgezahlt der Alleinerbe geworden ist. Der Bedarf des alleinlebenden B in Form des Regelbedarfs beträgt 502 EUR und die Miete beträgt 300 EUR. Dann ergibt sich folgende Berechnung:

Berechnungsposten Beträge
Regelbedarf 502 EUR
KdU 300 EUR
Gesambedarf 802 EUR
Erbschaft 5.000 EUR
- Versicherungspauschale -30 EUR
Anrechenbares Einkommen 4.970 EUR
Überzahlung (802-4970) -4.168 EUR
Ergebnis Erstattung i.H.v. 802 EUR

Dies bedeutet, dass B den Betrag von 802 EUR für den Monat Juli 2023 erstatten müsste. Ab August 2023 handelt es sich dann um Vermögen. Sind außer den aus der Erbschaft zugeflossenen 5.000 EUR keine anderen Vermögen vorhanden, so liegt dieser Betrag unter dem Freibetrag nach § 12 II SGB II. Dort heißt es:

„Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15.000 EUR abzusetzen.“

Durch die Änderung des § 11a I Nr. 7 SGB II sind Erbschaften jedoch kein Einkommen mehr, so dass im Beispiel 1 B die 5.000 EUR behalten darf und er für den Monat Juli 2023 keine Rückzahlung leisten muss.


2.
Wie ist dies nun bei einem Vermächtnis oder einem Pflichtteilsanspruch? Nach dem Wortlauf der Vorschrift gilt § 11a I Nr. 7 SGB II nur für Erbschaften.


Beispiel 2:
Erbtante E verstirbt am 01.07.2023. Das Guthaben i.H.v. 10.000 EUR auf dem Konto der E wird noch am 15.07.2023 an den Bürgergeldempfänger B ausgezahlt der Alleinerbe ist. Dieser zahlt davon ein Vermächtnis i.H.v. 5.000 EUR an den Bürgergeldempfänger B2 aus. B muss aus seinem Erbe nichts an das Jobcenter zurückzahlen wie aus Beispiel 1 ersichtlich. B2 hingegen müsste 802 EUR für Juli 2023 zurückzahlen

Dies gilt dann, wenn ein Vermächtnis nicht unter § 11a I Nr. 7 SGB II fällt. Aber ist das so? Dazu soll die Gesetzesbegründung herangezogen werden. Die Regelung des § 11a I Nr. 7 SGB II ist aufgrund der Beschlussempfehlung vom 09.11.2022 BT-Drs. 20/4360, S 8 aufgenommen worden. In der Begründung des Bürgergeldgesetzes BT-Drs. 20/4360, S. 29 heißt es:

„Zu Buchstabe d (Nummer 10 – § 11a) Durch die Einfügung einer neuen Nummer 7 ist der Änderungsbefehl insgesamt neu zu fassen. Die Ziffern 5 und 6 sind gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung unverändert. Die neue Nummer 7 bestimmt, dass Einnahmen aus Erbschaften kein Einkommen darstellen. Sie stellt eine Sonderregelung zu § 11 Absatz 1 Satz 1 dar. Anders als sonstige einmalige Einnahmen im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 1 werden Einnahmen aus Erbschaften im Zuflussmonat nicht als Einkommen berücksichtigt. Wie alle Einnahmen sind sie aber im Folgemonat des Zuflusses dem Vermögen zuzuordnen. Erbschaften verbleiben damit im Rahmen der Vermögensfreibeträge bei den Leistungsberechtigten und müssen im Zuflussmonat nicht zur Lebensunterhaltssicherung eingesetzt werden. Auf diese Weise bleiben auch finanziell geringfügige Erbschaften dem Leistungsberechtigten erhalten. Dies dient auch der Verwaltungsvereinfachung, da es ansonsten im Zuflussmonat zu Rückforderungen kommen würde.“

Die Aussage, dass Erbschaften eine Sonderregelung zu der Einkommensanrechnung darstellen könnte dafür sprechen, dass Erbschaften eng auszulegen sind und daher die Vorschrift nicht für Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche gilt. Denkbar ist aber auch eine Auslegung, dass insoweit die Erbschaft etwas umfassender als Leistung anlässlich des Todes des Erblassers angesehen wird.

"Denn verständlich ist es nicht, weshalb ein Pflichtteilanspruch als Einkommen angesehen wird, eine wertmäßig doppelt so hohe Erbschaft jedoch nicht. "(so Conradis info also 1/2023 S 9).

Auch der Umstand, dass die Begründung mitteilt, dass es zur Verwaltungsvereinfachung führt, wenn Erbschaften nicht als Einkommen angerechnet werden weil dann keine Rückforderungsbescheide erlassen werden müssten spricht dafür, dass Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche wie Erbschaften behandelt werden.

Was schließlich gilt wird wohl die Rechtsprechung entscheiden müssen.

Bürgergeld-VO: Erste Änderung seit 01.01.2023

Die neu eingeführte Bürgergeldverordnung wurde bereits im Februar erstmalig geändert. Grund war, dass die früher geltende AlgII-VO das Einkommen aus Ferienjobs regelte (§ 1 Abs. 4 AlgII-VO). Diese Releglung wurde in der neuen Bürgergeld-VO weggelassen, da die Ferienjobs nun in § 11a Abs. 7 SGB II geregelt werden. Allerdings tritt diese Regelung erst zum 01.07.2023 in Kraft, so dass bis zu diesem Zeitpunkt eine Regelung fehlte und somit das Einkommen vollständig anzurechnen wäre. Dies wurde nun geändert über § 1 Abs.1 Nr. 16 Bürgergeld-VO und damit die Lücke geschlossen.

Nachweis Arbeitsunfähigkeit in Papierform ohne zusätzliche Kosten

Bei einer Erkrankung die zur Arbeitsunfähigkeit (AU) führt hat der Leistungsberechtigte die AU und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Jobcenter anzuzeigen und binnen 3 Tagen eine ärztliche Bescheinigung hierüber vorzulegen (§ 56 Abs. 1 SGB II). Nun gibt es aber nur noch die elektronische AU-Bescheinigung für den Arbeitgeber. Diese AU-Bescheinigung erhält das Jobcenter jedoch nicht. Wer eine AU-Bescheinigung vom Arzt verlangt bekommt diese von manchen Ärzten in Rechnung gestellt. Das ist jedoch nicht notwendig. Man erhält nämlich weiterhin einen Papierausdruck für die eigenen Akten. Dieser genügt für das Jobcenter.

Abschaffung der Zwangsverrentung

Die Regelung, nach der Leistungsberechtigte mit Vollendung des 63. Lebensjahres in die Altersrente mit Abschlägen gezwungen werden, wird befristet bis zum 31.12.2026 außer Kraft gesetzt (§ 12a SGB II). Auch wenn das Jobcenter bereits vor dem 31.12.2022 zur Beantragung der Rente aufgefordert hat muss dem nicht mehr nachgekommen werden. Die Jobcenter dürfen nun diesen Antrag auch nicht mehr selbst stellen (§ 65 Abs 2 SGB II).

Einführung des Bürgergeldes

Das Bürgergeld wird in zwei Etappen eingeführt. Der erste Teil gilt seit dem 01.01.2023 und ein weiterer Teil ab dem 01.07.2023. Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein (Koalitionsvertrag v 10.12.2021 "Mehr Fortschritt wagen").

Bundessozialgericht bemängelt Angemessenheitskonzepte zu Kosten der Unterkunft (KDU)

In zwei Entscheidungen bemängelt das BSG die Validität der Stichprobenauswertung in Konzepten zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten. BSG v 09.09.2020 B 14 AS 34/19 R (Hof) und BSG v 05.08.2021 B 4 AS 82/20 R (Dithmarschen). Der Konzeptersteller hatte die Stichprobe überwiegend von grossen Vermietern erhoben, was dem Anteil der grossen Vermieter an der Grundgesamtheit nicht entsprach. Auch für den Vogtlandkreis wird diese Problematik momentan vom Sächsischen Landessozialgericht geprüft. Zahlreiche Verfahren sind auch beim Sozialgericht in Chemnitz anhängig.

§ 67 Abs. 3 SGB II: Aussetzung der Angemessenheitsgrenze für Kosten der Unterkunft verlängert

Durch § 1 Abs. 1 V 860-2-20 v. 10.3.2022 I 426, 427 (VZVV 2022) wurde die Frist verlängert, in der das Jobcenter keine Reduzierung der Mietkosten auf das Angemessene verlangen kann (bis 31.12.2022).

§ 70 SGB II: Einmalzahlungen für Erwachsene wegen COVID-19

Das Sozialschutz-Paket III regelt, dass Alleinstehende und Paare im Mai 2021 einmalig 150 EUR erhalten. Diese Zahlungen werden nicht auf die SGB II-Leistungen angerechnet.